Sind alte Objektive wirklich schlechter? Und warum? Und ist das überhaupt ein Problem?

Mein LineupMit jeder neuen Generation von Objektiven werden diese auch immer schärfer, und immer wieder hört man daher die Empfehlung, keine "alten" Objektive zu nutzen. Natürlich kann man das - verkürzt und mit isoliertem Blick auf analytische Auswertungen - so sagen. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht, denn ob man es glaubt oder nicht: allein die Tatsache, ob ein Objektiv urspünglich für eine Film-Kamera konstruiert wurde oder ob man bei der Konstruktion direkt an eine digitale Kamera mit Sensor gedacht hat, macht schon einen Unterschied aus. Einer der Gründe ist, dass beim Film die Bilder anders entstehen als beim Sensor. Mir hat das sehr geholfen zu verstehen, warum Fotos, die mit Altglas-Objektiven gemacht wurden, irgendwie "anders" aussehen als solche, die mit modernen Linsen entstanden sind. Das muss nicht unbedingt schlecht sein, aber warum das so ist, erkläre ich hier.

Über die Zeit sind mir mehrere Argumente untergekommen, die - angeblich - gegen die Verwendung von alten Objektiven (dem sog. "Altglas") sprechen. Insbesondere hört man immer wieder Alte Objektive sind einfach schlechter, weil sie eine schlechtere Bildqualität liefern als moderne Objektive. Alte Objektive "vignetieren" mehr als moderne. Bei alten Autofokus-Objektive sei deren Geschwindigkeit schlechter als die bei neuen. Das stimmt mit Blick auf die Datenblätter und physikalische Untersuchungen natürlich schon - was irgendwo natürlich auch der Natur der Sache liegt, weil sich die technische Entwicklung an sich weiter entwickelt hat. Aber da dies spannenderweise auch auch damit zu tun hat, dass man früher mit Filmen fotografiert hat. Eigentlich ist der Grund sogar ziemlich banal, aber irgendwie kommt man nicht sofort drauf, und deswegen lohnt es sich, es mal zu erklären. 

 

Alte Objektive sind einfach per se schlechter

 

Alte Objektive vignetieren zu viel

Behauptung: Alte Objektive sind schlechter, weil sie an Digitalkameras mehr "vignetieren" als moderne Objektive Vignetierung meint das Phänomen, dass ein Bild am Rande etwas dunkler erscheint als in der Mitte. Das ist ein Phänomen, das im Prinzip jedes Objektiv betrifft, egal ob neu oder alt. Es ist nur jeweils unterschiedlich ausgeprägt. Insofern ist Vignetierung erst einmal kein Fehler, sondern einfach erstmal nur ein physikalisches Phänomen, das übrigens die modernen spiegellosen Kameras häufig schon gleich selbst im Bildprozess korrigieren.  Aber ja, es ist wohl so, dass dies bei älteren Objektiven etwas intensiver zu sein scheint. Wenn man also ältere Objektive verwendet, ist es hilfreich, wenn man dazu auch ein bisschen weiß. Und ja, es hilft auch, wenn man sogar noch einen Schritt zurückgeht und darüber nachdenkt, wie überhaupt ein Bild entsteht.

 

Alte Objektive sind einfach zu langsam

Behauptung: Alte Objektive sind schlechter, weil ihr Autofokus langsamer ist Auch wenn das mit der Frage "Film oder Sensor" eher weniger zu tun hat: wir reden über alte Objektive, und zumindest kurz sollten wir hier das Thema schon mal ansprechen. Die Frage ist so eindeutig nicht zu beantworten. Es kommt auf das Objektiv an. Wenn wir über alte Objektive aus der Frühzeit des Autofokus' reden, dann wird man dem kaum widersprechen können. Die ersten Minolta-AF-Objektive hatten (anders als die AF-Objektive heute) keinen eigenen Motor. im Objektiv war lediglich ein Getriebe, während der Motor im Kameragehäuse verbaut war. Das Getriebe im Objektiv wurde über eine Art Kuplung und eine Stange angetrieben, weshalb man solche Objektive auch "Stangenobjektive" nennt. Der Nachteil ist, dass das ein vollkommen mechanischer Antrieb ist, bei dem richtig "Masse" bewegt werden muss. Heutige Motoren arbeiten nach ganz anderen (i.d.R. elektromagnetischen) Prinzipien und sind dadurch deutlich schneller. Im Ergebnis sind die Geschwindigkeitsnachteile also tatsächlich erkennbar. Aber es muss die Frage erlaubt sein, ob man dem fertigen Bild diese langsamere Fokusgeschwindigkeit ansieht.  

 

Ist das nun eigentlich alles überhaupt ein Problem?

Sind diese Fehler überhaupt relevant? Rein rational betrachtet, stimmt dies alles. Alte Objektive sind im direkten Vergleich zu aktuellen natürlich "schlechter" - wenn man die Zahlen und Auswertungen betrachtet. Aber macht sich das in der Praxis bemerkbar? Ich hab da so meine Zweifel. EIn paar Fragen sollte man sich schon dazu stellen, zum Beispiel Sieht man die qualitativen Unterschiede überhaupt, wenn man die Bilder heute eh nur auf dem Handy betrachtet? Ist es in der Portraitfotografie wirklich sinnvoll, Objektive zu verwenden, die so scharf abbilden, dass man gefühlt jede Pore bis zu dessen Boden betrachtet kann und man hinterher in der Bildbearbeitung die Haut doch wieder weicher machen muss? Ist Vignettierung wirklich ein sooo großes Problem, wenn es dann doch gleich automatisch in den Kameras ohne Verluste digital korrigiert wird - und zwar automatisch? Und kann ein scharfes Bild überhaupt ein gutes Bild sein, wenn die Bildkomposition schlecht ist? Und warum greifen ausgerechnet junge Leute heute verstärkt zu alten Point-and-Shot-Kameras oder sogar zu noch älteren analogen Filmkameras? Richtig: sie wollen gerade diesen alten Vintage-Look.

Es gibt also verschiedene Gründe , die Kritik an alten Objektive kritisch zu sehen.

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